
v.l.n.r.: Ellen Graßmann (Koordination Entlastungsdienst) und Waltraud Oberthier (Beratung der Betroffenen / Angehörigen). Foto: Malteser Hilfsdienst e.V.
Das Interview führte Joachim Kübler.
Guten Tag Frau Graßmann und Frau Oberthier. Vielleicht berichten Sie zunächst etwas über Ihre aktuellen Aufgaben:
Ellen Graßmann: Ich koordiniere den Entlastungsdienst für pflegende Angehörige. Unser Schwerpunkt liegt auf dem Krankheitsbild Demenz. Zu meinen Aufgaben zählt die Beratung der Betroffenen und deren Angehörigen. Ich bin Ansprechpartnerin für die Helfer und Helferinnen rund um die Betreuung zuhause und für die Gruppenbetreuung. Meine Aufgabe ist es auch neue Helfer/-innen für den Dienst zu gewinnen. Aktuell haben wir ein Team von knapp 30 Helfern – bunt gemischt vom Alter her und auch von den unterschiedlichen beruflichen Hintergründen.
Waltraud Oberthier: Mein Aufgabenfeld sind die Beratungsbesuche nach §37 Abs.3 SGB XI. Pflegebedürftige die das Pflegegeld erhalten und nicht die Hilfe eines Pflegedienstes in Anspruch nehmen, müssen in regelmäßigen Abständen eine Beratung zu Pflege durchführen lassen. Es handelt sich von meinerseits um eine psychosoziale Beratung auf den aktuellen Bedarf ausgerichtet. Bei Bedarf werden vor Ort Maßnahmen mit allen Beteiligten umgesetzt, welche die Versorgung im häuslichen Umfeld sicherstellt.
Frage: Frau Oberthier, Sie haben die Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige von demenziell erkrankten Menschen vor 15 Jahren aufgebaut. Gab es damals vergleichbare Angebote im Landkreis Bad Kreuznach?
Waltraud Oberthier: Angebote in dieser Form gab es noch nicht. Die Malteser haben aber schon damals den großen Bedarf an Unterstützungs- und Entlastungsangeboten für Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen erkannt und darauf reagiert. Damals, wie heute ist es problematisch, dass Angebote, wie diese nur zu einem kleinen Teil refinanziert sind. Der Entlastungsbedarf ist oft höher als die Mittel, die den Betroffenen durch die Pflegeversicherung zur Verfügung stehen.
Frage: Wie war das denn so mit der Akzeptanz des Themas der Demenz in der Gesellschaft?
Waltraud Oberthier: Das Krankheitsbild der Demenz war noch nicht ansatzweise in der Gesellschaft angekommen. Heute ist man viel informierter. Aber ich würde auch heute nie von Demenz bei Hausbesuchen sprechen. Ich nehme den Angehörigen zur Seite und frage beispielsweise, seit wann sie denn diese kognitiven Veränderungen bemerkt haben. Heute ist die Akzeptanz wesentlich offener – man spricht auch mit der Nachbarschaft über die Erkrankung und kann auf diese Weise auch Hilfe oder zumindest ein Augenmerk auf die Situation bekommen – Demenz in der Familie wird nicht mehr verheimlicht.
Frage: Frau Graßmann – erzählen sie mal, wie so ein Besuchsdienst abläuft.
Ellen Graßmann: Bei einer Neuanfrage fahre ich die Familie besuche. Führe eine Anamnese durch und kläre den konkreten Bedarf. Zeitnah stelle ich dann der Familie einen Helfer, eine Helferin vor.
Frage: Wie viel Zeit verbringen die Helfer/-innen bei den dementiell Erkrankten und was sind deren Aufgaben?
Ellen Graßmann: Jeder Helfer, jede Helferin ist mindestens zwei Stunden in der Woche bei einer Familie im Einsatz. Bei Bedarf auch öfter bzw. länger, ganz individuell auf den Wunsch und Bedarf der zu Betreuenden und deren Angehörigen ausgerichtet. Die gemeinsame Zeit wird sehr unterschiedlich gestaltet. Es richtet sich immer nach den Fähigkeiten und Interessen der Menschen, die wir besuchen. So kann die Zeit zum Beispiel mit einem gemeinsamen Einkauf auf dem Wochenmarkt, einem Gesellschaftsspiel oder einem Friedhofsbesuch ausgefüllt werden.
Frage: Wie sind die Rückmeldungen der Kunden und der Helfenden?
Ellen Graßmann: Ich muss sagen, es gibt regelmäßig schöne Rückmeldungen von beiden Seiten. Die Helfenden finden die Arbeit bereichernd und die Senioren, welche betreut werden, sind zufrieden und ausgelastet. Und natürlich sind auch die Angehörigen dankbar für die Zeit, welche sie dadurch z.B. für sich, ihren Haushalt oder auch Arztbesuche haben.
Frage: Wie grenzt sich die Arbeit des Entlastungsdienstes für pflegende Angehörige von der Arbeit ambulanter Pflegedienste ab?
Waltraud Oberthier: Wir pflegen nicht und wir kümmern uns auch nicht um den Haushalt der Menschen. Wir aktivieren die vorhandenen Ressourcen, schaffen Lebensfreude und schenken Zeit. Es stehen die individuellen Bedürfnisse und Wünschen des Betroffenen im Vordergrund. Das können Alltagsaktivitäten sein, Erinnerungen wecken beim Durchschauen vom Fotoalbum, gemeinsames Singen, Spaziergänge und so vieles mehr. Die Biografie und das Wissen über das Krankheitsbild ist ein guter Wegweiser für die Kommunikation und Umgang mit der an Demenz erkrankte Person.
Frage: Und dann gibt es ja noch die Gruppenbetreuung bzw. das Café Malta!
Ellen Graßmann: ja, das Café Malta findet wöchentlich in den Räumlichkeiten der Kirchengemeinde in Hackenheim statt und geht drei Stunden.
Frage: was wird an einem solchen Nachmittag gemacht?
Ellen Graßmann: Wir starten immer in einem Stuhlkreis, tauschen uns aus, wenn es etwas Besonderes z.B. Erlebnisse in der vergangenen Woche gab, die jemand teilen möchte. Wir machen Sitzgymnastik, es wird viel gesungen, wir bauen immer wieder Gedächtnisübungen ein. Wir bekommen regelmäßig besuche von der evangelischen Pfarrerin und vom katholischen Pfarrer. Der Kindergarten kommt mal mit einer Gruppe vorbei und führt etwas vor. Musiker und Gesangsvereine kommen zum Konzert. Ein gemischtes Programm. Es ist ein fester Stamm von Senioren, die ins Café Malta kommen.
Frage: Dann lassen Sie uns mal zu den Helferinnen und Helfern kommen. Ehrenamt ist gesucht. Melden sich viele, oder gehen Sie aktiv auf die Leute zu? Wer kommt in Frage, und wie ist dann die Ausbildung?
Ellen Graßmann: Wir starten jetzt im März mit einem neuen Kurs, er umfasst 40 Unterrichtseinheiten. Der Kurs findet mit den Maltesern aus Mainz und Bingen statt. Es sind dann in der Regel ca. 12 Teilnehmer, die Interesse haben im Demenzdienst mitzuarbeiten und den Kurs absolvieren. Zweimal im Jahr bieten wir den Kurs an. Zur Helfergewinnung machen wir regelmäßig Öffentlichkeitsarbeit.
Frage: Um was geht es bei der Ausbildung?
Ellen Graßmann: Die Ausbildung umfasst das Krankheitsbild Demenz und weitere Themen, wie Kommunikation, Validation, Aktivierung und Beschäftigung.
Frage: Ist für diese Betreuung jede und jeder geeignet?
Waltraud Oberthier: Wir wählen schon aus, und man kann auch nicht jede oder jeden einsetzen. Aber es ist ganz selten, dass man jemanden sagen muss: Das passt nicht. Wer für die Arbeit überhaupt nicht geeignet ist, sind Menschen, die gegenüber den Betroffenen keine Wertschätzung zeigen oder gar psychisch selbst belastet sind.
Frage: Wird das Ehrenamt gewürdigt?
Ellen Graßmann: Ja, das Ehrenamt wird gewürdigt. Die Helfer und Helferinnen bekommen eine Aufwandsentschädigung.
Mein letzter Punkt: Welches Projekt wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ellen Graßmann: Wir wollen weiter in der Öffentlichkeit zum Thema Demenz sensibilisieren. Wir waren im letzten Jahr regelmäßig mit einem Infostand in der Stadt vertreten. Das ist eine gute Möglichkeit Menschen zu erreichen und ins Gespräch zu kommen.
Frage: Gibt es bei öffentlichen Ständen manchmal besondere Begegnungen?
Ellen Graßmann: Ja, die Begegnungen sind wirklich interessant und ganz unterschiedlich. Es gibt Fragen zum Umgang mit Angehörigen oder Freunden, welche an einer Demenz erkrankt sind. Es gibt Menschen, die sich für eine Mitarbeit im Dienst interessieren. Oder schlichtweg, Menschen die sich allgemein informieren wollen.
Frage: Gibt es ein spannendes Projekt für 2025?
Ellen Graßmann: Wir planen ab April dieses Jahres ein weiteres Café Malta für Menschen mit beginnender Demenz in Bad Kreuznach. Das ist so unser großes Projekt in diesem Jahr.
Waltraud Oberthier: Die Erfahrung im Café Malta in Hackenheim hat gezeigt, dass durch die Gruppenbetreuung die Gemeinschaft gestärkt wird, Lebensqualität erhalten bleibt und Lebensfreude geschenkt wird. Wir freuen uns Personen mit Demenz dies in einer weiteren Betreuungsgruppe in Bad Kreuznach zu ermöglichen.
Mehr unter:
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