Interview mit Professor Dr. med. Jan D. Schmitto, Spezialist für Herzchirurgie und Bereichsleiter Herzunterstützungssysteme der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und Implanteur des weltweit ersten HeartMate 3 LVADs. Ein LVAD – Left Ventricular Assist Device bzw. Linksventrikuläres Herzunterstützungssystem – wird eingesetzt, wenn die Pumpleistung des Herzens nicht mehr ausreicht, um den Körper ausreichend mit sauerstoffreichem Blut zu versorgen.
In Deutschland leiden mehr als 2 Millionen Menschen an Herzinsuffizienz, Tendenz steigend (1). Fast 500.000 der Betroffenen werden jährlich wegen ihrer Erkrankung stationär behandelt (2) Herzinsuffizienz ist nicht heilbar, das Fortschreiten kann jedoch verlangsamt werden. Dennoch ist bei fortschreitender Funktionsminderung des Herzens in manchen Fällen eine Transplantation oder die Implantation eines mechanischen Kreislaufunterstützungssystems bzw. einer Herzpumpeunausweichlich.
Im Interview erklärt Professor Schmitto, wie so eine Herzpumpe, zum Beispiel das HeartMate 3 LVAD von Abbott den Weg in ein „neues“, selbstbestimmtes Leben ebnen kann – und warum sie eine echte Alternative zur Herztransplantation ist.
Im Jahr 2014 hat Professor Schmitto an der MHH erstmals weltweit einem Patienten das Herzunterstützungssystem HeartMate 3 von Abbott implantiert. Kurt-Josef M. (66) führt damit bis heute ein nahezu normales Leben.
Professor Schmitto, was genau ist die Indikation für die Versorgung eines Patienten/einer Patientin mit einer Herzpumpe?
Die Indikation besteht immer dann, wenn die Pumpfunktion des Herzens trotz Ausreizen aller medikamentösen Therapien erschöpft ist und die Herzleistung nicht mehr ausreicht, um den Körper ausreichend mit Blut, und folglich mit Sauerstoff und lebenswichtigen Nährstoffen zu versorgen.
Wie erfolgt die Implantation eines LVADs?
Bei der Implantation eines LVAD-Systems handelt es sich um einen herzchirurgischen Eingriff. Die Operationen sind standardisiert, in den vergangenen Jahren stetig verbessert worden. Zudem wurden mittlerweile auch weniger invasive, also für die Patienten schonendere Operationsmethoden entwickelt.
Wie lange dauert der Heilungsprozess? Ab wann sind welche Belastungen wieder möglich?
Die Patienten bemerken sehr schnell nach der Operation eine positive Veränderung ihrer Situation. Belastungen, wie sie sich vor der Operation gezeigt haben, zum Beispiel Kurzatmigkeit, zeigen sich bereits kurze Zeit danach verringert. Die Patienten bekommen wieder mehr Luft und sind körperlich belastbarer.
LVADs wie Abbotts HeartMate 3 galten lange Zeit „nur“ als Übergangslösung bis zur Transplantation eines neuen Herzens. In vielen Fällen werden sie aber gar nicht mehr ersetzt, warum nicht?
Ja, das stimmt. Hier gab es in den vergangenen Jahren viele positive Entwicklungen. Die Patienten merken, dass es ihnen gut geht und viele sind so zufrieden mit ihrer Situation, dass sich einige von ihnen keinem weiteren herzchirurgischen Eingriff unterziehen möchten.
Warum ist ein LVAD wie HeartMate 3 eine sinnvolle Alternative für eine Herztransplantation?
Die klinischen Ergebnisse mit LVAD-Systemen, insbesondere dem HeartMate 3, sind in den vergangenen Jahren zunehmend verbessert worden. Während aufgrund des existierenden Organspendermangels Herztransplantationen mit langen Wartezeiten für die Patienten verbunden sind, sind LVAD-Systeme allzeit verfügbar. An erfahrenen Herzzentren können sie quasi jederzeit implantiert werden und somit helfen, Leben zu retten.
Gibt es Studien, die die Wirksamkeit und Qualität von HeartMate 3 belegen? Und was bedeutet das für die Zukunft von LVADs?
Internationale Studien, wie zum Beispiel die MOMENTUM 3 und die ELEVATE-Studie, haben gezeigt, dass Patienten mit einer Herzpumpe mittlerweile sehr gute Langzeitüberlebenszeiten aufweisen. Während schwerkranke Herzinsuffizienz-Patienten ohne LVAD-System oftmals nur noch 1-2 Jahre Lebenszeit zu erwarten haben, können Patienten mit einem LVAD-System deutlich länger leben. Der erste Patient, dem – vor 10 Jahren an der MHH – ein HeartMate 3-System implantiert wurde, lebt immer noch und es geht ihm sehr gut.
Inwieweit ist mit einem LVAD ein „normales“ Leben möglich bzw. welche Einschränkungen gibt es?
Da die LVAD-Systeme die natürliche Pumpfunktion des Herzens übernehmen, werden alle Organsysteme – zum Beispiel Nieren, Leber und die Lunge – wieder besser mit Blut, Sauerstoff und lebenswichtigen Nährstoffen versorgt, und können sich erholen. Zudem steigen die körperliche Belastbarkeit und die Lebensqualität der Patienten nachweislich. Die Pumpe wird von außen durch eine Driveline und Batterien mit Energie versorgt, daher müssen diese Patienten lediglich auf Schwimmen, Baden und Saunieren verzichten.
Vor 10 Jahren haben Sie Ihrem damals 56-jährigen Patienten Kurt-Josef M. als erstem Patienten weltweit das HeartMate 3 eingesetzt. In welcher Verfassung kam der Patient damals zu Ihnen und warum fiel Ihre Entscheidung auf diese Lösung?
Herr M. befand sich damals in einem äußerst kritischen Zustand. Er brauchte kreislaufunterstützende Medikamente und seine verbliebene Lebenszeit neigte sich dem Ende zu. Die Entscheidung zu dem historischen Meilenstein-Eingriff fiel weder ihm selbst noch uns schwer, da es zu dem Eingriff keine Alternative gab. Wir waren alle sehr gut vorbereitet und von der Richtigkeit des Eingriffs überzeugt.
Wie gut hat Kurt-Josef M. den Eingriff überstanden und wie geht es ihm heute?
Herr M. hat den Eingriff damals sehr gut überstanden und war bereits am Morgen nach der Operation wach und hat sehr schnell die Verbesserung seiner Herz- und Lungenfunktion festgestellt.
Im Zuge so einer Operation ist eine optimale Nachsorge essenziell. Wie genau sieht die im Falle Ihres Patienten bis heute aus?
Ja, in der Tat, die Nachsorge ist essenziell. Sie wird in unserer Abteilung von spezialisierten VAD-Koordinatoren und -Koordinatorinnen durchgeführt. Diese sind sehr erfahrene und hochspezialisierte Fachkräfte, die sich sowohl medizinisch als auch technisch und psychologisch intensiv um unsere LVAD-Patienten kümmern und damit einen großen Anteil am Gesamterfolg des Programms haben.
Was ist aus Ihrer Sicht entscheidend dafür, dass Kurt-Josef M. bis heute ein beinahe normales Leben führen kann?
Das ist ein multifaktorielles Gesamtpaket: eine sichere Operation, ein verlässliches LVAD-System, eine sehr gute Nachsorge sowie ein Patient, der alle ärztlichen Anweisungen strikt befolgt hat und befolgt.
Ein Blick in die Zukunft: Können Systeme wie HeartMate 3 Transplantate gänzlich überflüssig machen? Welche Voraussetzungen müssten mechanische Kreislaufunterstützungssysteme dafür erfüllen?
Die Weiterentwicklung in diesem Bereich geht stetig voran. Ein Quantensprung für diese Therapieform wäre, wenn in Zukunft auf das Steuerkabel, die sogenannte Driveline, verzichtet werden könnte. Weitere Verbesserungen sind im Bereich der Sensor- und Batterie-Technologien sowie der Software-Algorithmen zu erwarten. Wir können uns auf sehr vielversprechende Weiterentwicklungen und Innovationen freuen, die allesamt den Patienten sehr zugutekommen werden.
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