In der kaiserlichen Pfalz zu Beginn des zweiten Teils seines großen Theaterstücks „Faust“, lässt Goethe Mephistofeles, den Teufel, der hier als der neue Narr des Kaisers fungiert, die Geldsorgen des Hofes kurzerhand dadurch lösen, dass er Geld schöpft, indem er alle ungehobenen Bodenschätze und Schatzfunde dem Kaiser zuspricht und damit die Deckung des Papiergelds begründet. Bei diesem Karnevalsscherz wird verdeutlicht, wie das neue Papiergeld auf der Basis von immateriellen Werten und Versprechen entsteht, die ohne die Golddeckung der früheren Währungen auskommt.
So sind die modernen Banknoten entstanden und deren Wert besteht, solange wie das Vertrauen in Kaiser und Staat vorhanden ist und die Bevölkerung dieses Versprechen mit dem bunt bedruckten Papier identifiziert.
Ich erinnere mich an künstlerische Happenings in London, Hamburg und der Schweiz, bei denen Geldscheine verbrannt wurden. Dabei entschwindet einerseits mit dem aufsteigenden Rauch der Flamme der potenzielle Gegenwert, der mit diesen Banknoten hätte erworben werden können, aber andererseits bleibt die Realität unverändert und nichts ist letztlich abhandengekommen, abgesehen von etwas Papier.
Die bisher wohl spektakulärste Darbietung dieser Art war die Verbrennung von einer Million britische Pfund in Banknoten durch die K Foundation am 23. August 1994. Nach einem selbst aufgelegten Moratorium von 23 Jahren sind die Urheber des Events 2017 mit dem Film, der die Verbrennung der Banknoten zeigt, auf Tournee gegangen. Sie konnten keine einfach verständliche Begründung für ihre Handlung liefern, aber was bei dieser Tournee vielleicht noch interessanter war als ihre Erklärungsversuche, war die Reaktionen des Publikums. Das verbrannte Geld entsprach dem Gewinn, den sie damals als Musikband durch den Verkauf von Schallplatten erwirtschaftet haben. Immer wieder wurden Vorwürfe unsozialen Verhaltens laut. Wie konnten sie nur so viel Geld verbrennen, wenn es doch Menschen in Not gab, denen dieses Geld hätte helfen können.
Ihre Antwort auf diese Vorwürfe war einfach. Alles, was sie verbrannt haben war Papier – Papier, das man ihnen für die Musik, die sie gespielt haben, gegeben hat und mit dem sie nichts anderes machen wollten. Keines der Güter, die man mit diesem Geld hätte kaufen können, ist dabei verloren gegangen. Genau genommen haben sie durch ihren Akt nur den Wert des übrigen Geldes, das sich im Umlauf befindet, tendenziell erhöht, in dem sie der Geldvermehrung und der damit verbundenen Inflationsrate entgegengewirkt haben.
Die Empörung des Publikums wäre nicht entstanden, wenn sie dieses Geld anderweitig verschwendet hätten. Ihr weiteres Leben war nach der Verbrennung dieses Geldes jedoch nicht unglücklicher als es wohl ansonsten gewesen wäre.
Dies führt uns zurück zu der Frage, ob Geld uns glücklich machen kann.
Die weit verbreitete Aussage, dass „Geld nicht glücklich macht“, verdient eine nähere Betrachtung. Es wird dabei zu meist argumentiert, dass innerer Frieden und Gesundheit nicht käuflich sind. Es wäre somit hier wohl angebrachter zu sagen „Geld alleine macht nicht glücklich“.
Es gibt viele Beispiele von Bettelmönchen sowie auch von Kynikern im alten Griechenland, die ihr Seelenglück in der Bedürfnislosigkeit gefunden haben und man kann auch an herausragende Persönlichkeiten wie Mahatma Gandhi (1869 – 1948) denken, für den sowohl der Kommunismus als auch der Kapitalismus falsch waren, weil beide sich ausschließlich auf eine materialistische Sicht des Menschen konzentrierten. Die Bedürfnislosigkeit kann daher sehr wohl einen Weg zur Selbsterfüllung für diejenigen eröffnen, die diesen Weg auserwählt haben. Dies ist jedoch bei Weitem nicht der Fall für alle, die im Leben plötzlich ohne Geld sind und für sie erweist sich meistens die Gegenaussage dieses Satzes als wahr: Geldsorgen machen ihr Leben unglücklich. Ihre Gedanken kreisen oft um nichts anderes mehr und die Folgen sind dann Schlaflosigkeit und Unrast. Das wiederum kann verschiedene psychosomatische Beschwerden wie Kopf- und Rückenschmerzen auslösen, aber auch zu ernsthaften seelischen Erkrankungen wie einer Depression führen. Eine Studie (unter der Leitung von Tali Elfassy von der Universität Miami) hat darüber hinaus gezeigt, dass andauernde Geldsorgen auch dem Herzen nachhaltig schaden und die Mortalität erhöhen.
Menschen in solchen Situationen können tatsächlich von direkten finanziellen Hilfen profitieren. Dies wurde durch ein Experiment in Kenia bewiesen, bei dem Menschen, die in extremer Armut lebten, einen Bargeldzuschuss von 1.500 Dollar erhielten. Diese Unterstützung half ihnen unmittelbar, ihr emotionales Stressniveau zu senken und ihre Lebensqualität zu verbessern. Hier wirkte das Geld somit als ein wahrer Segen und Glücksbringer.
Aber wie weit kann Geld glücklich machen?
Daniel Kahneman ist dieser Frage zusammen mit Angus Deaton nachgegangen („High income improves evaluation of life but not emotional well-being“, Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), September 21, 2010 107 (38) 16489-16493). Er fand bei der Aufarbeitung der Daten, die vom Gallup-Healthways Well-Being Index geliefert wurden und bei denen insgesamt 450.000 Personen mitgewirkt hatten, dass das emotionale Wohlbefinden mit dem Einkommen bis zu einem Jahreseinkommen von 75.000 US-Dollar anstieg, es aber keine weitere Verbesserung jenseits dieses Betrags gab. Bei einer Nachuntersuchung durch die Purdue University im Jahre 2018 wurde auch die Lebenszufriedenheit analysiert, die ihren Höhepunkt bei einem optimalen Jahreseinkommen von 95.000 US-Dollar hatte. Das Glücksniveau nahm anschließend bei denen, die mehr als 105.000 US-Dollar im Jahr verdient hatten, wieder ab.
Aufgrund dieser Forschungsergebnisse können wir jetzt den oben zitierten Satz wie folgt umformulieren: „Geld jenseits des Idealeinkommens macht nicht mehr glücklich“.
Es zeigt sich, dass die gefundenen Beträge für das Idealeinkommen in etwa dem mittleren Einkommen der Mittelschicht entspricht. Wir können diese Ergebnisse wie folgt interpretieren: Wir brauchen Geld, um unsere Grundbedürfnisse zu befriedigen. Wer ohne Ressourcen wie Nahrung, Kleidung oder Unterkunft aufwächst, für den macht mehr Geld wirklich einen großen Unterschied im Leben und im allgemeinen Wohlbefinden. Aber sobald man das Niveau der Mittelschicht erreicht hat, mit der man sich identifizieren kann und will, gibt es darüber hinaus keinen wirklich treibenden Anreiz, mehr zu haben.
Dies mag wohl schwierig zu verstehen sein, weil die meisten Menschen mit der Annahme leben, dass ein Mehr an Geld alle unsere Probleme lösen werde.
Brad Klontz erläutert hierzu: „Letztendlich sind wir Menschen und kämpfen mit existenziellen Fragen wie: Was ist der Sinn des Lebens, und wer bin ich? Und diese Art von Fragen verschwinden nicht, wenn man einen Haufen Geld hat.“
Laurie Santos (geb. 1975), die unter andrem das Comparative Cognition Laboratory an der Yale Universität leitet, hat in ihrem beliebten “The Happiness Lab” Podcast erläutert, das mehr Geld uns nicht glücklicher macht, sondern eher abhängiger von anderen Menschen, denn: „Selbst die reichsten Leute da draußen in der Welt können sich oft umschauen und jemanden finden, der nur ein klitzekleines bisschen reicher ist, und deshalb macht ihr Geld sie nicht so glücklich, wie sie denken.“
Das hängt wohl damit zusammen, dass wir eine evolutionäre Tendenz haben, uns mit anderen Menschen zu vergleichen. Wir sind wohl genetisch auf der Überlebensebene sehr stark darauf eingestellt, zu sehen, wie wir im Vergleich zu anderen stehen und wo wir uns einordnen.
Wiederholte Studien haben gezeigt, dass es uns unglücklich macht, wenn wir das Gefühl haben, nicht den gleichen Lebensstandard wie unsere Mitmenschen halten zu können.
Ein weiterer Grund, warum einfach nur mehr Geld zu bekommen, uns nicht glücklicher machen kann, ist die „hedonische Anpassung“ (hedonic adaptation). Wir gewöhnen uns schnell an die Veränderung in unserem Leben und unsere Erwartungen wachsen während sich unser Lebensstil ändert – wir passen uns an das, was wir erreicht haben, an und wollen mehr.
Hier ist es wirklich entscheidend zu wissen, dass dies geschieht, ohne das wir es selbst merken und dass wir es auch außer Kraft setzen können. Andernfalls werden wir anfällig, finanzielle Fehler zu machen. Wenn wir sehen, dass unser Nachbar ein neues Auto hat bekommen wir schnell ein Gefühl der Unzufriedenheit, weil wir selbst kein neues Auto haben.
Dies mag uns auch an die zahlreichen Untersuchungen erinnern, die gezeigt haben, dass um glücklich zu sein, der Zweck unserer Tätigkeit viel wichtiger ist als das Geld, das wir dabei verdienen.
So berichtet Kerri Anne Renzulli 2018 von einer Umfrage, bei der 90 % der Befragten dazu bereit gewesen wären auf Summen in der Größenordnung von 21.000 US-Dollar Jahreseinkommen (23 % ihres Einkommens) zu verzichten, wenn sie dafür eine mehr sinnerfüllte Tätigkeit ausführen könnten. Dies bestätigt, dass die Zufriedenheit darüber, etwas Sinnvolles zu leisten uns wichtiger ist als mehr Geld für die Arbeit zu bekommen, die wir erbringen.
Es wurde auch gezeigt, dass Ausgaben für das persönliche Wachstum, die Verbindung mit anderen Menschen und Beiträge für die Gemeinschaft unser Glücksgefühl erhöhen. Das Geld, das wir für Erfahrungen ausgeben, macht uns glücklicher als das, was wir für den Kauf von Gegenständen verwenden.