Wie wir gesehen haben, erscheinen beim Storytelling explizite Inhalte im Scheinwerferlicht der selektiven Aufmerksamkeit, während implizite Inhalte in der Schattenzone darum herum kaum bemerkt und ungeprüft über die Bühne laufen, aber dennoch ihr Gewicht haben. Es wird hier auch oft von unterschwelliger Beeinflussung oder Suggestion gesprochen.
Eine bedeutende Variante von Storytelling sind dabei z.B. die Produktpräsentationen von Steve Jobs (1955 – 2011), dem Begründer von Apple Computer. Er verwendete eine besondere Form des Storytellings, die bei ihm nicht auf die Produktpräsentationen begrenzt blieb. Diese wird allgemein als “Realitätsverzerrungsfeld” (Reality Distortion Field, RDF) bezeichnet und Jobs hat sie wohl während seiner Zeit im Reed College von seinem Freund Robert Friedland gelernt. Dieser hatte sie von einer Episode der Science Fiction Fernsehserie “Raumschiff Enterprise” (Star Trek), die in den 1960er Jahren sehr populär war. Dort schaffen Außerirdische eine eigene neue Welt durch mentale Kraft. Ebenso gelang es Steve Jobs, der ein Technologievisionär war, wesentliche Bausteine unserer heutigen digitalen Welt zu schaffen.
Aber er stieß dabei auch an die Grenzen der RDF-Möglichkeiten und musste dies sodann mit seinem Leben bezahlen. Nachdem bei ihm ein Pancreas-Carcinoma diagnostiziert wurde, das gut zu operieren gewesen wäre, versuchte er sich gegen den ärztlichen Rat selbst zu heilen durch verrückte Fruchtdiäten, Hydrotherapie, einen Hellseher und das Ausdrücken seiner negativen Gefühle.
Nur dieses Mal war seine bisher bewehrte RDF-Methode machtlos und nach dem 9 Monaten so verstrichen waren, war auch keine erfolgsversprechende ärztliche Behandlung mehr möglich.
Ein weiteres Beispiel dieser Form von Storytelling, dem Realitätsverzerrungsfeld (RDF), findet sich bei dem früheren Schachweltmeister Bobby Fischer (1943 – 2008), dem nachgesagt wurde, dass er eine „Fischer-Aura“ um sich herum hatte, die Boris Spassky und andere Gegner desorientiert hat.
Auch das Charisma von Politikern wie Bill Clinton und zuletzt auch Donald Trump gehören dieser Form von Storytelling mit einem Realitätsverzerrungsfeld (RDF) an.
Storytelling ist wohl der bedeutendste Zugangsweg zu den Gefühlen und der Entscheidungskraft eines Menschen. Wie wir gesehen haben, liegt diese nicht wie wohl noch von vielen geglaubt wird, in dem relativ eng bemessenen Lichtkegel unseres rationalen Denkens (Global Workspace Theory – GWT), sondern viel mehr in dem gewichtigeren Gesamtfeld, das zum größten Teil darum herum im Schatten liegt.
In der psychotherapeutischen Anwendung von Storytelling, man spricht hier meist von narrativer Therapie, geht es um die Kunst, andere zu beeinflussen, indem man ihnen eine Geschichte über ihr persönliches Dilemma erzählt.
So geht z.B. der narrative Ansatz, den Michael White und David Epston 1990 beschrieben haben (“Narrative Means to Therapeutic Ends”), davon aus, dass die Realitäten sozial konstruiert sind. Wenn jemand eine Geschichte erzählt, wählt er bestimmte Elemente aus. Die Therapie zielt darauf ab, ihm zu helfen, den Einfluss bestimmter dominanter Geschichten (sei es kulturell, sozial, oder familiär) zu verstehen und neue Geschichten zu schaffen, die wiederum neue Perspektiven und Interpretationen beinhalten und den Weg zu größere Möglichkeiten in seinem Leben öffnen.
Man geht dabei davon aus, dass es keine wesentlichen Wahrheiten gibt, nur viele Möglichkeiten, eine Erfahrung zu interpretieren. Keine einzige Interpretation kann dabei als „wahr“ angesehen werden und der Erzähltherapeut zielt darauf ab, die Entwicklung von wachstumsfördernden Interpretationen zu unterstützen.
Grundprinzipien der narrativen Therapie sind der Respekt der Handlungsfreiheit und Würde der Klienten, der Verzicht auf jegliche Schuldzuweisung (man trennt den Menschen von seinen Problemen), und die Anerkennung des Klienten als Experten (denn allein er kennt sein eigenes Leben ganz genau und verfügt über die Fähigkeiten und Kenntnisse, sein Verhalten zu ändern und seine Probleme anzugehen). Typischer Weise wird man dem Klienten zunächst helfen, seine Probleme in Worten auszudrücken. Diese Phase des Storytelling ist auch der erster Schritt aus der eigenen Erfahrung zu lernen und einen Sinn in ihr zu finden.
Die anschließende Externalisierungstechnik führt dazu, dass der Klient seine Probleme oder Verhaltensweisen als äußerlich betrachtet. Sie sind jetzt nicht mehr ein unveränderlicher Teil von ihm selbst. Es werden sodann in einer Phase der „Dekonstruktion“ die Probleme, mit denen der Klient zu kämpfen hat, reduziert um Zugang zu einem leichter verständlichen „Gesamtbild“ zu gewinnen. Man erkennt dabei, dass die Probleme, die sich zunächst überwältigend, verwirrend und unlösbar angefühlt hatten, nicht wirklich unlösbar sind.
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