Nachdem wir einige der neurophysiologischen Erkenntnisse zum Schlaf angesprochen haben, sollten wir jetzt auch die psychologischen Aspekte des Schlafs nicht außer Acht lassen.
Hier bietet uns Eric Kandel (geb. 1929 in Wien), der im Jahr 2000 den Nobelpreis für Medizin erhielt, einen guten Übergang. In seinem Buch “The Disordered Mind: What Unusual Brains Tell Us About Ourselves” von 2018 schildert er ein Bewusstseinskontinuum zwischen dem Wachzustand und tiefem Schlaf. Unsere Bewusstseinsebene ist mit der Bewusstseinsebene des Gehirns verbunden. Das Gehirn ist im Wachzustand aktiver als im Schlaf und am wenigsten aktiv, wenn wir im Koma liegen. Eine Region im oberen Hirnstamm moduliert dieses Bewusstseinsniveau. Beschädigt man experimentell diese Region bei Mäusen, dann fallen sie ins Koma. Wenn man sie jedoch elektrisch stimuliert, weckt sie das sofort aus dem Schlaf.
Es stellt sich die Frage an welchem Punkt bestimmte geistige Erfahrungen bewusst werden und welche Teile des Gehirns an diesen Erfahrungen beteiligt sind. Bildgebende Verfahren des Gehirns scheinen hier zu bestätigen, was bereits Sigmund Freud so formuliert hat. Unser Verstand ist in bewusste und unbewusste Prozesse unterteilt und diese unbewussten Prozesse haben einen größeren Einfluss auf unsere Gedanken, Motivationen und unser Verhalten, als wir es eingestehen wollen.
Der Kognitionspsychologe Bernard Baars (geb. 1946 in Amsterdam) hat die Theorie des globalen Arbeitsbereichs eingeführt. Diese besagt, dass die tieferen Schichten des Gehirns ständig unbewusst Sinnesinformationen aus unserer Umgebung verarbeiten. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf solch eine Information richten, nimmt unser Gehirn das anfängliche sensorische Signal auf und sendet es an höhere Hirnregionen – und macht es so im bewussten globalen Arbeitsbereich verfügbar.
Wird uns ein Bild unterschwellig (d.h. so schnell, dass wir es nicht bewusst identifizieren oder erinnern können) dargeboten, zeigt sich in der Sehrinde im hinteren Teil des Gehirns für 200 bis 300 Millisekunden eine Aktivität. Anschließend lässt das Signal wieder nach. Wird das Bild lange genug gezeigt, klingt dieses visuelle Signal nicht ab, sondern breitet sich im gesamten Gehirn aus und wird verstärkt. Es wird damit gleichzeitig im globalen Arbeitsraum bewusst.
Dies ist ein erster Schritt der Neurowissenschaften um nachzuvollziehen, wie unser Gehirn Bewusstsein produziert.
Thimon von Berlepsch (geb. 1978), der in Deutschland als Magier, Hypnotiseur und Vortragssprecher bekannt ist, hat dies in seinem Buch “Update für dein Unterbewusstsein” (2020) von seiner Erfahrung ausgehend ähnlich beschrieben. Er erläutert, dass die Gehirnwellen länger werden (Alpha-Bereich im EEG) sobald man tagsüber richtig entspannt ist oder bei der Arbeit in einen Flow-Zustand sinkt, Tagträumen nachhängt oder beim Joggen ein paar Minuten an gar nichts denkt. Wenn man dann meditiert oder leicht schläft schwingt das Gehirn noch langsamer (Theta-Bereich im EEG). Dies ist dann auch der Zustand kurz bevor man einschläft, kurz nachdem man aufwacht und wenn man hypnotisiert ist. In diesem Zustand verschwimmen Realität und Vorstellung – und die Tür zum Unterbewusstsein öffnet sich.
Er schildert sodann, das Kinder viel mehr Zeit im Theta-Zustand verbringen als Erwachsene. Dies erklärt warum ihre Grenze zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein, zwischen Fantasie und Realität noch nicht so stark ausgebildet ist und warum sie sich vollkommen in ihren Spielen verlieren können.
Eine weitere Situation, in der man regelmäßig in den Theta-Zustand verfällt ist im Kino. Wenn man sich ganz auf einen Film einlässt, ist man tatsächlich hypnotisiert. Das Unterbewusstsein unterscheidet nicht zwischen Realität und Vorstellung. Obwohl man weiß, dass man in Wirklichkeit nur Schauspielern bei ihrer Arbeit zusieht, reißen einen Filme mit ihren Gefühlen mit. Dieses Eintauchen in einen Film kann nur im Theta-Zustand funktionieren.
Dies entspricht auch dem Zustand der Hypnose. Man ist entspannt und die Grenzen zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein werden auf eine wohltuende Weise durchlässiger.
Die von Thimon von Berlepsch beschriebenen EEG-Veränderungen sind nach meinen eigenen Erkenntnissen als Neurologe nicht so eindeutig auf den EEG-Ableitungen zu erkennen, aber der Rest seiner Beschreibung spricht überein mit meiner klinischen Erfahrung.
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