Das Interview führte Joachim Kübler
Seit dem 01.01.2018 bin ich nun bei der TelefonSeelsorge Nahe-Hunsrück in Bad Kreuznach tätig und habe die katholische Leitung inne.
Was haben Sie vorher gemacht?
Mehr als 10 Jahre war ich in der Beratung von gewaltbetroffenen Menschen tätig. Bereits während meines Pädagogik-Studiums half ich im Frauenhaus aus, nach meinem Abschluss habe ich dann in der Interventionsstelle Worms Frauen unterstützt, bei denen ein Polizeieinsatz aufgrund von Partnerschaftsgewalt vorangegangen war.
Zuletzt war ich knapp fünf Jahre bei den Hilfetelefonen „Gewalt gegen Frauen“ sowie „Schwangere in Not“. Dort konnte ich viele Erfahrungen in der psychosozialen Beratung speziell am Telefon und online sammeln, vor allem aber auch mit Ratsuchenden, die anonym bleiben möchten.
Wer ist Träger der Telefonseelsorge?
Die TelefonSeelsorge Nahe-Hunsrück ist eine evangelisch-katholische Einrichtung und in der gemeinsamen Trägerschaft des evangelischen Kirchenkreises An Nahe und Glan sowie des Bistums Trier.
Ist die Telefonseelsorge in Zeiten von Corona mehr gefragt?
Ja, das ist sie. Es zeigt sich im Monatsvergleich ein deutlicher Anstieg der Gespräche in den Monaten März bis Mai und weiterhin erhöhte Gesprächszahlen im Juni und Juli. Dies ist auch dem großen Engagement unserer Ehrenamtlichen zu verdanken, die in dieser Zeit besonders viele Dienste übernommen hatten. Je besser die TelefonSeelsorge erreichbar ist, desto mehr Anrufende kommen zu uns durch.
Ruft jetzt ein anderer Personenkreis an?
Das ist schwer zu sagen. Aufgrund der Anonymität, die bei der TelefonSeelsorge ein wichtiger Grundsatz ist, führen wir keine Rückschlüsse auf die Personen bzw. Personenkreise.
Welche Fragen stehen derzeit im Mittelpunkt?
In den Gesprächen wird sehr häufig das körperliche Befinden thematisiert, Beschwerden, Erkrankungen oder Behinderungen. Außerdem geht es oft um Einsamkeit, um familiäre Beziehungen, Ängste und Depressionen. Diese waren auch schon vor Covid-19 die vorherrschenden Themen am Telefon, haben sich aber aufgrund der Pandemie möglicherweise zugespitzt. So leiden beispielsweise mehr Menschen unter der Einsamkeit wegen der eingeschränkten Kontakte, familiäre Konflikte eskalieren wenn die Personen sich vermehrt zu Hause aufhalten und Existenzängste nehmen aufgrund der ungewissen Lage in einigen Berufsbranchen zu.
Was erhoffen sich die Anrufer von Ihnen?
Meist ein offenes Ohr, jemanden der sich Zeit nimmt, egal zu welcher Uhrzeit. Konkrete Ratschläge werden selten gewünscht. Diese können wir auch nicht geben, denn nicht jeder Rat passt auf jeden Menschen.
Wie kann die Telefonseelsorge helfen?
Wir sind für die Menschen und ihre Anliegen da, hören zu, fühlen mit, und halten auch nicht veränderbare Situationen mit den Anrufenden aus. Die TelefonSeelsorge ist ein Ort des Vertrauens, der Empathie und der Wertschätzung. Nur, wenn sich jemand verstanden fühlt, ist er bereit, sich zu öffnen und über das zu sprechen, was ihm auf dem Herzen liegt. Das kann entlastend wirken, die Anrufenden können sich alles von der Seele reden. In einem Gespräch können sich zudem Gedanken ordnen und neue Perspektiven entstehen. Somit leisten wir mitunter auch Hilfe zur Selbsthilfe.
Kann man mit der Telefonseelsorge auch über E-Mail und WhatsApp Kontakt aufnehmen?
Das Beratungs- und Seelsorgeangebot ist auch online verfügbar und kann per Mail und Chat in Anspruch genommen werden. Eine Kontaktaufnahme per WhatsApp ist nicht möglich.
Was ist die Voraussetzung, um bei der Telefonseelsorge mitarbeiten zu können?
Neben dem Interesse am Menschen und einem offenen Ohr für ihre Nöte sind Lebenserfahrung, Einfühlungsvermögen und eine stabile psychische Verfassung Voraussetzung. Auch sollten Interessierte die Bereitschaft mitbringen, neues zu lernen und sich mit eigenen Themen auseinanderzusetzen. Gesprächstechniken und den Umgang mit schwierigen Gesprächen lernen sie in unserer Ausbildung, die etwa ein Jahr dauert und von uns Hauptamtlichen geleitet wird. Weitere Informationen sind auf unserer Homepage www.telefonseelsorge-nahe-hunsrueck.de zu finden.
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