Während bei uns der kalendarische und meteorologische Frühlingsanfang noch ein paar Wochen weit weg ist, endet im chinesischen Kalender in den letzten Januartagen bereits die Winter. Danach folgt aber nicht sofort der Frühling, sondern es beginnt eine Zeit des Übergangs. Diese Übergangszeiten, auch Dojo-Zeiten genannt, gibt es zwischen allen vier Jahreszeiten (Frühling, Sommer, Herbst, Winter), quasi eine fünfte Jahreszeit. Sie wird der Wandlungsphase (Element) Erde zugeordnet und dient der Vorbereitung auf die jeweils kommende Jahreszeit. Der Fokus liegt dabei auf dem großen Bereich der Verdauung, eine der herausragenden Aufgaben der Wandlungsphase Erde. Die Dojo-Zeit, die Ende Januar beginnt, bereitet den Frühling vor, daher wird sie auch gern Vorfrühling genannt.
Dojo – ein Begriff aus dem Japanischen, der unter anderem einen (heiligen) Ort bezeichnet, wo Kampfkunst oder auch Meditation gelehrt wird. Man könnte Dojo daher auch mit Zentrum oder Mitte übersetzen. Mitte – so wird auch die Wandlungsphase Erde zuweilen genannt. In der Darstellung der fünf Wandlungsphasen kann sie als Zentrum in der Mitte platziert werden. Darüber hinaus ist das große Thema dieser Wandlungsphase die Verdauung, also unser Zentrum, unsere Mitte. In den Dojo-Zeiten geht es also um unsere Mitte, um die Verdauung. Da die TCM vorwiegend eine prophylaktische Medizin ist, also eine vorbeugende und gesundheitsbewahrende Therapie, passt es gut, dass die Dojo-Zeiten genau diesem Zweck dienen: die Vorbereitung und Einstimmung des Körpers (und natürlich auch des Geistes und der Seele), um gut und gesund in und durch die nächste Jahreszeit zu kommen.
Die Mitte stärken – in der TCM geht das beispielsweise mit Getreidekuren. Über mehrere Tage (bis zu 12) wird nur gekochtes Getreide gegessen, man beschränkt sich normalerweise auf eine Getreidesorte. Für den Vorfrühling eignen sich besonders Dinkel, Grünkern und Hirse. Dazu trinkt man Wasser und Gemüsebrühe (am besten selbst gekochte!). Diese Getreidekur entlastet das gesamte Verdauungssystem, vor allem im Vorfrühling aber Leber und Galle, beides Organe bzw. Funktionskreise der Wandlungsphase Holz, zu der der Frühling gehört. Alternativ zur beschriebenen Getreidekur kann man verschiedene gekochte Getreide auch mit frisch gekochtem Gemüse, gedünstetem Obst und guten Ölen ergänzen. Auch diese Form entlastet den Organismus im Allgemeinen und die Frühlingsorgane Leber/Galle im Speziellen. Diese Kur kann durchaus mehrere Wochen durchgeführt werden.
Zur weiteren Stärkung der Mitte in der Dojo-Zeit kann man sich jeden Tag den Bauch kreisend massieren und, zur Belebung sämtlicher Körperstrukturen, eine Klopfmassage durchführen. Gerade nach dem Winter ist es gut, den angesammelten Winter-„Mief“ aus den Geweben zu klopfen. Meditations- und Achtsamkeitsübungen beleben und stärken die Mitte ebenfalls. Sei es das „Innere Lächeln“, eine Qigong-Übung, die auf Vorstellung beruht und den ganzen Körper mit einschließen kann. Oder beim Essen den Fokus auf das Kauen legen (was bei einer Getreidekur sowieso notwendig ist), eine simple, aber sehr effektive Art der Achtsamkeit, die nicht nur der Geist beruhigt, sondern auch eine gute Basis für die weitere Verdauung legt. Apropos Geist: Mitte stärken hat auch was mit unserem Geist, unserer Geisteshaltung zu tun. Loslassen und Neues hereinlassen sind in den Dojo-Zeiten gut platziert. Vielleicht mal eingefahrene Strukturen durchbrechen und sei es „nur“ in der eigenen Wohnung mal neue Wege gehen oder mit der anderen Hand die Tasse aus dem Schrank nehmen.
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