Das Interview führte Joachim Kübler
Die beiden hauptamtlichen Hospizfachkräfte Lilo Mayer und Georg Berg standen „Rede und Antwort“ zur kreisweiten Arbeit des Christlich Ambulanten Hospizdienstes an der Nahe, der vom Caritasverband Rhein-Hunsrück-Nahe e.V. und dem Evangelischen Kirchenkreis an Nahe und Glan getragen wird. Das Angebot hospizlicher Begleitung gilt allen Menschen, unabhängig von ihrer Konfession oder spirituellen Heimat.
Was bedeutet ambulante Hospizarbeit?
Lilo Mayer: In der hospizlichen Begleitung schenken die ehren- oder hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Christlich Ambulanten Hospizdienstes schwerkranken und sterbenden Menschen Zeit und zwischenmenschliche Zuwendung. Dies drückt sich auch im Motto unseres Dienstes aus: „Leben braucht Liebe, Sterben auch.“ Dabei helfen wir, den eigenen Weg im letzten Lebensabschnitt zu finden, und begleiten diesen Weg. Im Mittelpunkt stehen der Mensch und seine Angehörigen mit all ihren sozialen, spirituellen und psychologischen Bedürfnissen, aber auch die medizinischen Belange des Kranken.
Entstehen dafür Kosten bzw. wie finanziert sich der Dienst?
Georg Berg: Den Hauptanteil der Kosten machen die Aufwendungen für die Arbeit der Hauptamtlichen aus: In den Hospiz-Büros in Bad Kreuznach und Kirn schaffen insgesamt fünf Hospizfachkräfte den Rahmen für die Arbeit der rund 40 Ehrenamtlichen. Zudem fallen durch die Begleitung unter anderem erhebliche Fahrtkosten an, die wir den Ehrenamtlichen natürlich erstatten. Wer Mitmenschen seine Zeit schenkt, soll dies nicht auf eigene Kosten tun müssen. Weiterer finanzieller Bedarf entsteht durch den Befähigungskurs, der eine zentrale Voraussetzung für das Engagement in der Begleitung ist. Hinzu kommen regelmäßige Fortbildungen und Supervision, die ebenfalls fest zu diesem Ehrenamt gehören, um dessen besondere Qualität sicherzustellen. Bei alledem bleibt die Begleitung für den Patienten stets kostenfrei.
Die Finanzierung unseres Dienstes ruht auf drei Säulen: die Zuschüsse von den gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen, außerdem Landesfördermittel und Spenden.
Hier haben wir dankenswerterweise die Unterstützung des eigens gegründeten „Fördervereins Christlich Ambulanter Hospizdienst an der Nahe e.V.“; die Fördervereins-Mitglieder haben sich insbesondere der Stärkung der ehrenamtlichen Arbeit verschrieben. Deshalb ermöglicht der Förderverein auch öffentliche Veranstaltungen: Etwa mit Vorträgen oder Autorenlesungen wollen wir nicht nur zu einem bewussten Umgang mit Abschied, Sterben und Trauer beitragen, sondern auch Männer und Frauen für Hospizarbeit gewinnen.
Wen begleitet der Hospizdienst?
Lilo Mayer: Wir begleiten Schwerstkranke und Sterbende aus dem gesamten Landkreis Bad Kreuznach: erwachsene Menschen mit lebensbegrenzenden Erkrankungen. Außerdem sind wir für Familienangehörige, Partner und Freunde da. Neben dem Angebot von Trauergesprächen in der Zeit des Abschieds gibt es eine regelmäßige Trauergruppe für Eltern, die ein Kind verloren haben. Für diese Eltern-Trauergruppe arbeiten wir übrigens mit einem stationären Kinderhospiz zusammen.
Ab wann kann man sich an den Hospizdienst wenden?
Lilo Mayer: Immer dann, wenn Krankheit unaufhaltsam das Leben begrenzt, also wenn man weiß, dass man lebensbedrohlich erkrankt ist oder einen schwerkranken Angehörigen betreuen wird. Meist geschieht die Kontaktaufnahme zu einem recht späten Zeitpunkt. Wir möchten betroffene Menschen aber ermutigen, frühzeitig das Gespräch mit uns zu suchen.
Wie läuft die Kontaktaufnahme ab?
Georg Berg: Wenn sich ein Betroffener oder ein Angehöriger beispielsweise telefonisch bei uns meldet, fährt eine von unseren hauptamtlichen Kräften zum Erstbesuch. Anschließend folgt die Vorstellung eines Ehrenamtlichen, der nach unserer Einschätzung für diese Begleitung „der Richtige“ sein könnte.
Einen Großteil der Anfragen erhalten wir über andere Träger oder Dienste, darunter die mitwirkenden Einrichtungen in der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV), Altenheime oder Kliniken. Einige Patienten melden sich selbst bei unserem Dienst. Dieser Schritt erfordert großen Mut. Für die anschließende Begleitung ist die Art der Kontaktaufnahme jedoch nicht wichtig.
Wer übernimmt die Begleitung?
Georg Berg: Die psychosoziale Begleitung leistet der oder die jeweilige Ehrenamtliche, dem damit eine große Verantwortung zukommt. Im Hintergrund steht das Hauptamt den Patienten, Angehörigen und natürlich auch den Ehrenamtlichen für Krisenintervention, die Kontaktaufnahme zu Institutionen und für fachliche Fragen zur Verfügung.
Wie helfen Sie bei Ängsten vor dem Tod oder dem Sterben?
Lilo Mayer: Wir geben unseren Ehrenamtlichen im Befähigungskurs mit, dass wir maximal Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Wir gehen davon aus, dass jeder die notwendigen Fähigkeiten, um eine Krise zu meistern, in sich selbst finden kann. Durch unser Begleiten, das Zuhören und das „Füreinander-da-sein“ unterstützen wir das Entstehen einer vertrauensvollen Atmosphäre, in der auch über das Sterben und den Tod gesprochen werden kann. Wir gehen ebenfalls davon aus, dass letztlich nur der begleitete Mensch selbst wissen kann, was für ihn hilfreich ist. Wir begleiten ihn aber bei seiner Suche danach.
Welche Rolle spielen ungeklärte Konflikte?
Lilo Mayer: Ungeklärte Konflikte spielen immer eine Rolle, da wir Menschen in einer Krise am Lebensende treffen und in einer solchen natürlich häufig eine Art Bilanz gezogen wird. Ebenso wie die Konflikte haben aber auch die gelungenen Lebensmomente ihren Stellenwert, und in manch einer Begleitung ist es so, dass weder die Probleme, noch die schönen Seiten verbalisiert werden. Manchmal gilt es Unausgesprochenes oder Unaussprechliches einfach gemeinsam auszuhalten.
Andere haben Schmerzen – wie wird hier geholfen?
Georg Berg: Sowohl den Hauptamtlichen, als auch den Ehrenamtlern im Hospizdienst kommt eine wichtige Beobachterrolle zu. Wir Hospizfachkräfte mit unserer Expertise werden dann zu Mittlern hin zur vorhin bereits genannten SAPV oder dem Hausarzt, denen die konkrete medizinische Versorgung obliegt.
Gibt es auch schöne Momente beim Sterben?
Lilo Mayer: Grundsätzlich ist es in der Sterbebegleitung nicht so, dass wir permanent über Tod und Sterben reden. Wir begleiten Lebende in ihrem letzten Lebensabschnitt. Es wird häufig über Alltägliches gesprochen, miteinander gesungen, gebetet, gelesen und auch gelacht. Wir haben während der Begleitungen auch schon Hochzeiten, Taufen und Geburtstage gefeiert.
Außerdem ist es so, dass die Begleitung Momente bietet, die vielleicht nicht schön im herkömmlichen Sinne sind, in denen sich aber großes Vertrauen und Mut zeigen. Wenn sich die Begleiteten den Begleiterinnen öffnen, dann ist dies ein Geschenk und wird auch von den meisten so empfunden – obschon es Schweres beinhalten kann. Es ist ein Stück echtes gemeinsames Erleben des Augenblicks, und das ist unglaublich wertvoll!
Wann ist eine stationäre Aufnahme unumgänglich?
Georg Berg: Wenn die Gesamtversorgung zuhause nicht gewährleistet ist, weil zum Beispiel das familiäre oder soziale Umfeld die Situation nicht ausreichend mittragen kann. Zur Erklärung: Am Lebensende muss der sterbende Mensch oft rund um die Uhr versorgt sein. Dies ist häufig nicht mehr möglich, und dann vermag auch unser Hospizdienst eine solche Lücke nicht zu schließen.
Was macht Ihren schweren Beruf schön?
Lilo Mayer: Die vorhin beschriebenen schönen Momente und das vertrauensvolle Miteinander sowie die gegenseitige Nächstenliebe, die wir geben und erleben dürfen. Außerdem bietet uns unser Beruf die Gelegenheit, etwas über das Leben in seiner Gesamtheit zu lernen und daran zu wachsen. Wir dürfen uns entwickeln und auf das Wesentliche im Leben schauen – ein Luxus, der in unserer eher oberflächlich orientierten Zeit nicht zu unterschätzen ist.
Was muss man tun, um selbst in einem Hospiz ehrenamtlich tätig werden zu können?
Georg Berg: Wie schon gesagt muss man als angehender Hospizbegleiter zunächst den Befähigungskurs absolvieren, den wir jedes Jahr anbieten. An persönlichen Eigenschaften braucht man Geduld, Liebe, die Bereitschaft sich selbst in den Blick zu nehmen und zu akzeptieren, dass Situationen manchmal nicht zu lösen, sondern nur auszuhalten sind.
Wann fangen die Ausbildungen an und wie lange dauert die diese?
Georg Berg: Der Befähigungskurs in Kooperation mit dem stationären Bad Kreuznacher Hospiz beginnt üblicherweise im Frühjahr oder im Herbst. Diese Ausbildung dauert ca. vier Monate und umfasst 100 Stunden. Aufgrund der Pandemie-Situation und der damit zusammenhängenden Vorsichtsmaßnahmen ruht ein begonnener Kurs derzeit bedauerlicherweise. Im Vorfeld eines jeden anstehenden Befähigungskurses laden wir Interessen übrigens stets zu einem Info-Abend ein, bei dem sie sich über die Hospizarbeit informieren können.
Wo melden sich Interessenten für die Ausbildung an?
Georg Berg: Bei mir, Georg Berg, entweder telefonisch unter 0671/83828-35 oder per Mail an G.Berg@caritas-rhn.de. Informationen gibt es natürlich auch im Hospizbüro Kirn, Telefon 06752/912074.
Foto: Lilo Mayer und Georg Berg – Christlich Ambulanter Hospizdienst an der Nahe / Foto Caritas