Auf dem Gebiet der „Virtual Reality“ (VR) zählt er zu den Experten in Deutschland: Dirk Koke (49), Geschäftsführer der Koke GmbH, Pfungstadt. Gesundheit-Rhein-Nahe sprach mit dem Unternehmer über Anwendungen und Perspektiven der neuen Technologien in der Medizin.
Lieber Dirk, Bild gebende Verfahren sind inzwischen aus der Medizin nicht mehr wegzudenken. Nun halten Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) Einzug ins Gesundheitswesen. Wo siehst du in naher Zukunft die wichtigsten Anwendungsfelder?
Virtual Reality hat in der Medizin eine wichtige Rolle gefunden und wird in verschiedenen Bereichen angewendet, darunter zur Behandlung von Schmerzen, Angststörungen, Nervosität, Traumata und Essstörungen. VR wird auch in der Rehabilitation eingesetzt und bietet auch Vorteile für medizinisches Fachpersonal, indem es eine immersive Lernumgebung schafft.
Mittlerweile ein Klassiker ist die Ausbildung von Chirurgen, die Operationen mit Hilfe von VR üben, bevor diese sich an echte Patienten wagen.
Und wenn es dann um die echte Operation am Menschen geht, dann gibt es mittlerweile Operationsroboter, die um ein Vielfaches filigraner arbeiten als die menschliche Hand. Bei solchen Operationen wird der Roboter mit Hilfe einer VR-Brille gesteuert.
Und auch der Umgang mit Angehörigen kann in der VR-Welt geübt werden. Denn als Arzt muss man manchmal auch schlimme oder traurige Nachrichten überbringen und diese Situationen können in einem VR-Simulationsprogramm geübt werden.
Auf welchen Gebieten werden deiner Meinung nach VR zuerst im Dienste des Patienten nutzbar sein?
Bei den Phobien kann ich mir das sehr schnell vorstellen, denn das erleben wir auch immer wieder bei Menschen, die VR zum ersten Mal probieren.
VR-Therapien sind sicherlich sehr effektiv gegen Phobien. Egal ob Spinnenphobie, Höhenangst oder Flugangst. Konfrontation ist eine der klassischen Therapien: Bei Spinnenphobie wird man schrittweise näher an eine echte Spinne herangeführt. In der Virtuellen Realität funktioniert diese Methode ebenfalls gut, mit dem Vorteil, dass Therapeuten die Kontrolle behalten. Zum Beispiel kann die Intensität bei Höhenangst schrittweise erhöht werden. VR-Therapie kann kostengünstiger sein und ermöglicht es den Betroffenen, ihre Ängste auch zu Hause zu überwinden.
Gibt es hierzu schon Anwendungen in der Praxis?
In der Ulmer Uniklinik wird der Einsatz von VR-Brillen bei Operationen getestet, um den Stress der Patienten zu mindern.
Bei Operationen, bei denen man bei Bewusstsein bleiben muss, wird eine VR-Brille genutzt, um den Patienten abzulenken. Das Schwimmen mit Schildkröten oder das Fliegen durchs All mindert deutliche den Stress der Patienten. Wer möchte schon zuschauen, wenn sich Ärzte mit Werkzeugen über einen beugen und Begriffe nutzen, die nicht wirklich beruhigend sind?
Welchen Stellenwert besitzen VR /AR in der medizinischen Forschung?
VR und AR haben einen wachsenden Stellenwert in der medizinischen Forschung. Sie ermöglichen realistische Simulationen für die Ausbildung von Medizinern, unterstützen Therapien bei diversen mentalen Gesundheitsproblemen und erleichtern die Visualisierung komplexer medizinischer Daten. Die Technologien fördern auch die Entwicklung in Bereichen wie Telemedizin und chirurgische Planung. Durch kontinuierliche Forschung und technologische Verbesserungen werden VR und AR zunehmend integraler Bestandteil des Gesundheitswesens und der medizinischen Forschung.
Welche Bedeutung wird diesen Technologien mittelfristig auch in der pharmazeutischen Forschung zukommen?
In naher Zukunft könnten VR und AR in der medizinischen und pharmazeutischen Forschung noch bedeutsamer werden. Sie könnten bei der Entwicklung neuer Medikamente helfen, indem sie komplexe Molekülstrukturen visualisieren, und die Erforschung menschlicher Biologie durch realistische Simulationen unterstützen. Zudem könnten VR und AR die Ausbildung und Weiterbildung von Fachkräften erleichtern und innovative Therapieansätze ermöglichen. Mit fortschreitender Technologie und weiteren Forschungen könnten diese Technologien wesentlich zur Beschleunigung der Forschungsfortschritte und zur Verbesserung der Patientenversorgung beitragen.
Interview: Udo Foerster
Porträt-Foto: Roger Richter